Mit dem Berliner Sommer verhält es sich in etwa so, wie mit dem Traummann und der Drei-Zimmer-Altbau-Wohnung für 600 € warm. Man weiß, sie existieren, man kennt jede Menge Leute, die sich an dem einem oder dem anderen erfreuen. Ja, man kennt sogar solche Menschen, die an ihrer Top-Wohnung einen Balkon mit Sonnenschein haben, auf dem sie – samt Mann – glücklich ihren Fairtrade-Kaffe schlürfen. Irgendwann haben wir das auch alles, redet man sich bei einem heißen Ingwer-Tee gegenseitig Mut zu. Und verbrennt sich weiter die Zunge, statt des Dekolletés.
Sei´s drum. Bräune wird auch überbewertet, Beziehungen rauben einem den letzten Nerv und zum Zuhausesein fehlt ohnehin meist die Zeit. Viel wichtiger ist es gerade, die Koffer zu packen. Sommerzeit ist Festivalzeit. Und Festivalzeit bedeutet, man muss alles, was man so in seiner Dreiraumwohnung hat, irgendwie in einen sowohl praktischen, als auch stylischen… – ja, in was eigentlich? Koffer? Nicht cool. Rucksack? Alles zerknittert und alles was man braucht, liegt immer ganz unten. Also Tasche.
„Ich fahre auf die Fusion und nehme mit“ spielt Viola, um sich das lästige Packen zu versüßen. Dazu die Musik voll aufgedreht und einen Hendriks-Tonic in der Hand.
Das perfekte Festivaloutfit ist cool, funktional und sexy. Eine Frau muss aussehen, als sei sie gerade aus ihrem Zelt gekrochen und dabei muss sie makellos sein. Wie viel Make Up man braucht, um ungeschminkt auszusehen, ist wahrhaft erschreckend. Und die Kleider? Gern ein bisschen Boyfriend. Knappe Jeansshorts und dazu ein Männerhemd, das suggeriert, dass man die Nacht nicht alleine war. Derbe Boots, grober Cardigan, der Auftritt ist perfekt, die Sonne darf jetzt aufgehen. Das richtige Outfit zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu tragen, ist so verdammt wichtig. Die anderen sehen aber so entspannt aus, als machten sie sich keine Gedanken über Äußerlichkeiten? Stimmt nicht. Das ist ungefähr so: Gute Freunde teilen sich ein Mädchen, gute Mädchen teilen sich Kleider und gute Kleider teilen sich mit. Und welche Aussage man in Form seiner Kleider mit sich herumträgt, will wohl überlegt und dem Anlass angemessen sein. Auch auf einem Zeltlager für Erwachsene. Nicht zu fassen, was wäre, wenn man mit etwas erwischt wird, das so absolutely not fabulous ist, sondern gar schon „tausendmal gesehen, tausendmal ist nichts geschehen“ ist. Ein fashion disaster erster klasse – not classy at all!
Keinesfalls darf man zu gewollt aussehen,oder zu ungewollt. Zufällig alles richtig gemacht, lautet das Statement, das wir anstreben. Zufällig sehe ich fabelhaft aus, zufällig stört mich Regen kein bisschen, zufällig bin ich super unkompliziert und trotzdem immer noch Frau. Beschwere dich nicht über die beschränkte Auswahl an Getränken, lass Dir die Flasche aber aufmachen… Hat man den „festival-girl mode“ erstmal verstanden, ist es gar nicht schwer, findet Viola.
Festes Schuhwerk, Badeschlappen, Regencape und Trockenshampoo, Winterpulli und Bikini, Nagellack und Taschenmesser. Für ein Wochenende könnte sie mindestens so viel Kram einpacken, wie für drei Wochen Ibiza. Aber Viola packt das schon. Viola weiß nämlich, wie man geschickt packt: Alles, was in der Tasche landet, muss untereinander kombinierbar sein. Daher beschränkt sich ihre Auswahl auf Jeansstoff, weiße und graue Basicteile: Shorts, Tops, T-Shirtkleid, Kapuzenjacke und dicke Socken – und eine Tube Rei. Einen breiten Schal, den sie als Liegetuch umfunktionieren kann, Sonnenbrillen auf Vorrat (gehen ja ständig flöten), Sonnencreme, Insektenspray, Make Up und Trixikram, Ladekabel, Bargeld, that´s it!
Schwer genug, sich für ein Event zu entscheiden – und dann auch noch das passende Outfit einpacken. Zwei Tage vorher, wo keine Sau weiß, wie das Wetter wird oder was man dort eigentlich macht? Und mit wem? Immerhin geht es hier um Fusionen. Exzessives Fusionieren. Die Verschmelzung von Tag und Nacht, von nüchtern und betrunken und von Wasser und Erde zu schleimigem, rutschigem Matsch. Jawolla!
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